Was die Landschaft zwischen Haar und Möhnesee erzählt

Die Geschichte vom Schwan, der sich in die Nase beißt

Bernd Wübbecke zum 350-jährigen Jubiläum der Schützenbruderschaft St. Pankratius Möhnesee-Körbecke im Jahre 1961

Als die Körbecker in jenen ersten Jahren des 18. Jahrhunderts ihre neue Kirche zu bauen begannen, holten sie sich aus dem nahen Belecke einen Handwerksmann herbei, von dem die Kunde ging, daß er ein rechter Tausendsassa sei und sowohl vom Zimmern als auch vom Schnitzen allerlei verstünde.

Dieser Mann war ihnen eben recht. Es hieß, er sei in seinen Wanderjahren als Bildhauer und Baugesell sogar bis ins Brandenburgische gekommen und habe dem großen Meister Andreas Schlüter ein wenig über die Schultern gesehen, als dieser an der Residenz des preußischen Königs mit allerlei Zierwerk und einem Zauber bunter Bewegtheit baute.

Also verlegte besagter Künstler namens Heinrich Stütting seinen Wohnsitz von Belecke nach Körbecke, ging das letzte Wegstück mit einem Bauern und seinem Öchslein, die ihn mit bis zum Gasthof „Zur Börse” nahmen, wo man im Kirchspiel seit langem das Vieh verhandelte. Dort bezog Heinrich Stütting eine Kammer, packte seine wenigen Habseligkeiten aus und ging einstweilen hinunter in die Wirtsstube. Denn er besaß außer seiner Kunstfertigkeit noch die seltene Begabung, das Leben auf die leichte Schulter zu nehmen und zwischendurch sein Geld in Branntwein oder
Gerstensaft umzusetzen.

Tags darauf ging Stütting an die Arbeit. Er warf mit leichter Hand, aber dennoch ungemein geschicktund genial, ein paar Skizzen auf das Papier, rechnete ein wenig hin und her, ob wohl die Pfeiler das Gewölbe zu tragen vermöchten und wie lang die Zimmerleute die Dachpfetten zu sägen hätten.

Dann rollte er seine Entwürfe zusammen und ging hinüber zum Pfarrer Bernard Mappius. Der nahm eine Prise aus seiner Schnupftabakdose, um sein Gehirn in die nötige Regsamkeit zu versetzen, und sah sich die Pläne des Belecker Zimmermeisters höchst interessiert an. Der Kerl hat Einfälle und dazu einen guten Geschmack!, dachte der Pfarrer, holte die Flasche aus dem Schrank und goß dem Meister einen scharfen Korn ins Glas. Jener kippte den Branntwein in einem Zuge, ohne eine Miene zuverziehen, hinunter und tat beim zweiten ebenso, daß der gute Pfarrer vor lauter Staunen wieder nach der Schnupftabakdose langte.

Die Geschichte vom Schwan

 

Dann ließ er den Körbecker Richter Wennemar Hoynk und die Kirchenprovisoren Cöbbinghoff, Schulte Berlingsen und Andres Michel herbeirufen, und die Herren sagten Ja und Amen dazu, und Heinrich Stütting begann also mit dem Bau der neuen Pfarrkirche zu Körbecke.

Noch während Bau- und Zimmerleute an dem Gotteshause arbeiteten, ging Heinrich Stütting zum Gastwirt Haarhoff, bei dem er wohnte, und bat um einen genügend großen Raum, in welchem er in den kommenden Jahren Altar und Kanzel schnitzen könnte. Und der Wirt der „Börse” ging mit ihm über die Straße und zeigte ihm hinter der Viehwaage eine geräumige Scheune, in der alsbald die wunderlichsten Figuren und Zierereien entstanden.

Des Abends aber saß Stütting zwischen den Leuten in der Gaststube und vertrank froh und friedlich all sein Geld, das ihm der Pfarrer jeden Samstag in die Hände legte.

Zuweilen kam es freilich vor, daß der Meister eines Vorschusses bedurfte, wenn der Sommer heiß und die Werkstatt allzu staubig waren. Dann ging der Künstler zum Pfarrer, empfing dorten statt des Vorschusses zuallererst eine Strafpredigt, schließlich aber doch ein paar Taler und werkte und trank weiter wie bisher.

Eines Tages aber, als der Pfarrer Mappius wieder mit seiner Strafpredigt begann und dabei, wie um neue Gedanken zu sammeln, eine Prise Schnupftabak behaglich in die Nase zog, benutzte Stütting die
entstandene Pause, um dem geistlichen Herrn einen Vorschlag zu machen.

„Hochwürden”, sagte er, „wir wollen tauschen! Geben Sie mir Ihren Schnupf tabak, daß ich prisen kann — und ich gebe Ihnen meine Flasche, daß Sie trinken können.” Damit war der Streit ein für allemal beendet. Der Pfarrer nahm friedlich seine Prise weiter und der Meister ungestört seinen Korn.

Grinsend ging Heinrich Stütting nach jenem Friedensschluß hinüber in seine Werkstube, wo er mit Stecheisen und Schnitzmesser an den Blattornamenten für die Kanzeltreppe werkte. Und in einer der vielgliedrigen Treppenwangen bildete er einen aufschreitenden Vogel mit langem Hals und Schnabel.
Aus dem Brustgefieder des Vogels erscheint das Gesicht des Pfarrers. Der Vogel greift sich mit dem langen Schnabel an die Brust und hat die Nase des Pfarrers gefaßt.

Als Meister Stütting das Schnitzmesser beiseite legte und sich sein frivoles Werk anschaute, mußte erdoch unbändig lachen. „Prost, Herr Pfarrer !”, rief er und kippte einen scharfen Korn hinunter, „nun faß dich selber an die Nase!”

Da knarrte die Werkstattür, und hinter ihm stand wie ein deus ex machina der geistliche Herr selber.

Stütting wurde rot wie ein Puter und wäre am liebsten in den Scheunenboden versunken. Aber als er dann verschämt aufschaute, sah er, daß der Pfarrer selber herzhaft lachte und ihm schließlich auf die Schulter klopfte. Der schnupfende geistliche Herr hatte den Hieb bereits ein gesteckt und die
geschnitzte Predigt des einfachen Zimmermannes durch aus verstanden. Und jedesmal, wenn er später zur Kanzel emporstieg und eine gar flammende Predigt gegen die tausend menschlichen
Unzulänglichkeiten seiner Gotteskinder halten wollte, gedachte er der vielen Opfer, die er seiner Nase gebracht, und ob der „naseweisen” Anspielung im Treppengeländer ließ der Hirte auch in seinen Predigten Milde und Nachsicht gegenüber den ihm anvertrauten Schäflein walten, den schwarzen wie
auch den — —, nun, die soll es auch schon damals nicht gegeben haben.

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